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Es gelten folgende Schutzmaßnahmen in der Marienkirche:


Die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher werden gebeten, weiterhin die jeweils aktuellen Hygienemaßnahmen zu beachten. Die Maskenpflicht entfällt,  FFP2-Masken oder medizinische Masken werden empfohlen.

Das Abendmahl wird als Wandel-Abendmahl in beiderlei Gestalt in Form von Intinctio gefeiert.

Kollekten werden nur am Ausgang eingesammelt und je zur Hälfte den genannten Kollektenzwecken zugeführt.

Herzlich willkommen zum Gottesdienst in unserer
Evangelischen Stadtkirche St. Marien!

  


Kantor Manfred Grob, Orgel
(Info:  www.youtube.com/channel/UCw5y5zc9sX2wc8aT7lFf7zw)


>> Predigt / Andacht  <<

Gottesdienst am Sonntag Lätare, 19.3.2023, über Jesaja 54, 7-10

Liebe Gemeinde

Warum meldet er sich nicht? Ich schreibe ihm eine WhatsApp. Online ist er. Aber er antwortet nicht.

Sprachnachricht: „Hallo! Du ich wollte einfach mal hören, wie es Dir geht. Ich mache mir Gedanken, warum Du Dich nicht meldest. Habe ich etwas falsch gemacht? Magst Du mich nicht mehr?“ Ruhe auf allen Kanälen.

Liegt es an mir? Was habe ich falsch gemacht? Will er mich gar nicht mehr? Hat er eine andere kennengelernt? Eine die klüger, jünger, freundlicher, netter, schlanker ist als ich? Aber warum sagt er nichts?

Also noch eine Nachricht: „Schatz, wenn ich irgendetwas falsch gemacht habe, dann sag es doch. Wir können über alles reden.“ – Keine Antwort.

„Hast Du eine andere? Liebst Du mich nicht mehr?“ - Funkstille.

Verliebt zu sein ist schön und schrecklich zugleich. Wenn der/ die andere nicht da ist, kommen die Unsicherheiten. Ich erlebe das sehr oft in der Kommunikation der jungen Menschen in meinem Freundes- und Familienkreis. Endloses Geschreibe hin und her. Warum, - du liebst mich nicht mehr, -gibt es eine andere, -sind es meine Haare, meine Figur, mein… – Nervtötend. Ein bisschen war es auch so als ich jung war. Aber da gab es halt kein WhatsApp oder andere Messenger-Dienste. Wenn man nicht erreichbar war, war man eben nicht erreichbar. Und selbst wenn man sich Gedanken gemacht hat, warum der/ die andere sich nicht meldet, war man irgendwann einfach wieder froh sich zu sehen und zu hören.
Auch wer liebt, will nicht ständig erreichbar sein. Auch wer liebt, will nicht ständig etwas sagen und sich erklären.
Wer liebt, weiß um die Tragfähigkeit einer Beziehung und stellt sie nicht ständig in Frage. Wer liebt, wird sich melden.
So wie Gott sich wieder bei seinem Volk meldet. Ich erweitere den Predigttext um zwei Verse:
Jes 54, (5,6) 7 – 10. „5Denn dein Ehemann ist Gott, der dich geschaffen hat. Sein Name ist Herr Zebaot. Der Heilige Israels ist dein Befreier. Er heißt »Gott der ganzen Erde«.6Es ging dir wie einer Frau, die verlassen wurde und tief gekränkt ist. Aber jetzt ruft der Herr dich zurück. Dein Gott fragt: Kann man denn seine Jugendliebe verstoßen?7Für eine kleine Weile habe ich dich verlassen. Aber mein Erbarmen mit dir ist so groß, dass ich dich wieder heimhole.8Als mein Zorn aufwallte wie eine Flut, habe ich mein Angesicht eine Weile vor dir verborgen. Aber meine Liebe hört niemals auf, darum habe ich Erbarmen mit dir. Das sagt der Herr, dein Befreier.9Ich verhalte mich wie zur Zeit Noahs. Damals habe ich geschworen: Die Flut, die über Noah gekommen ist, soll die Erde nicht noch einmal überschwemmen. Jetzt schwöre ich: Ich werde nicht mehr zornig auf dich sein und dir nie mehr drohen.10Berge können von der Stelle weichen und Hügel ins Wanken geraten. Aber meine Liebe weicht nicht von dir und mein Friedensbund wankt nicht. Das sagt der Herr, der Erbarmen mit dir hat.“

Das ist der Drafi-Deutscher-Schwur: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.“
Zugegeben: Wenn sich jemand längere Zeit nicht meldet, kann man schon nervös werden. Als diese Verse aus dem Buch Jesaja entstanden sind, befinden sich die Israeliten in den letzten Jahren des sogenannten babylonischen Exils, etwa um 550 bis 540 vor Christus. Gut dreißig Jahre vorher waren große Teile der Bevölkerung Jerusalems und Judas verschleppt worden. Nur die ärmere Landbevölkerung durfte in der Heimat bleiben. Die Eliten wurden in Babylon gebraucht, um das Land weiter nach vorne zu bringen. Zurück blieb ein zerstörter Tempel und Städte, die aussahen wie die Städte in der Ostukraine. Reste des alten Glanzes sind noch da, aber alles ist verborgen unter Trümmer. In Trümmern sind natürlich auch die Seelen der Menschen, die fern der Heimat neu anfangen müssen. Traumatisiert, nennen wir das heute. Die Gedanken sind bei dem und denen, die zurückgeblieben sind. Der Tempel, das Haus, das Zuhause Gottes ist zerstört.
Wo ist denn Gott? Ist er mitgegangen ins Exil? Streunt er durch die zerstörten Orte? Weint und fragt sich: „Wo soll ich hin?“
Die Exilierten in Babylon mussten sich neu aufstellen. Am Anfang saßen sie da, weinten „by the Rivers of Babylon“, aber dann bekamen sie einen Brief von Gott, übermittelt durch den Propheten Jeremia (Jer 29, 5-7. 11.14) 5Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7Suchet der Stadt Bestes, (…) und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl. (…)11Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. 12Und ihr werdet mich anrufen (…) und ich will euch erhören. 13 Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, 14so will ich mich von euch finden lassen, (…)
Und dann haben sie sich zusammengerissen, haben neu angefangen und dabei entdeckt, dass Gott bei ihnen ist und Gottes Wort auch ohne Tempel unter ihnen ist, Feiertage gefeiert werden können, Gott Lob und Klage auch ohne Heimaterde hört und annimmt.
Diese Gestaltung ihres Lebens mit Gott ist lange gut gegangen, doch nun scheinen sich Zweifel zu mehren: „Ist er überhaupt noch da? Lange nichts gehört von Gott!“
Da tritt in Babylon ein Prophet auf, den wir geschichtlich gar nicht näher greifen können, der aber im Auftrag Gottes verkündet: Nach seiner Auszeit ist Gott wieder bereit für sein Volk. Alle Enttäuschungen sind überwunden, Zweifel ausgeräumt. Wer liebt, ist bereit für einen Neuanfang.
„Hier bin ich,“ sagt Gott. „Uns bringt nichts mehr auseinander.“ Wenn Gott in diesen Worten von Erbarmen und Gnade spricht: Rachamin und Chaesed, dann sind diese beiden Wörter so etwas wie Schlüsselwörter des Glaubens. Gottes Zorn wird durch Gnade und Barmherzigkeit überwunden. Die hebräische Wurzel für Barmherzigkeit ist das Wort rechem, Mutterschoß. Wenn mich etwas besonders anrührt, spüre ich es im Bauch. Die Liebe Gottes wird verglichen mit der zärtlichen, verletzlichen, aber vor allem unerschütterlichen Liebe einer Mutter. Und hinzu kommt die Gnade. „Chaesed“, Gnade, meint nicht einfach ein allgemeines Wohlwollen. „Chaesed“ meint das konkrete Eingreifen in eine konkrete Situation, so dass sie sich wendet und zum Besseren führt. Gottes Gnade macht aus, dass er alles zum Besseren, zum Besten wenden kann. Gegen Gottes Gnade ist ein Sechser im Lotto Peanuts. Das sind große Worte. Große Versprechungen. Deshalb greift Gott zurück auf die Erinnerung an den Noahbund und bekräftigt dann: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ –

Und wieder ein Drafi-Deutscher-Schwur: „Marmor, Stein und Eisen bricht. Alles, alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu.“ Diese Treue scheint zunehmend einseitig zu sein. Im vergangenen Jahr sind 32.000 Menschen aus der EKvW ausgetreten. Das sind ungefähr elf Gemeinden, hinzu kommen die Verstorbenen, dann sind wir bei ca. 30 Gemeinden weniger. Der laufende Haushalt der Landeskirche muss aus Rücklagen ausgeglichen werden. In Deutschland sind nicht einmal mehr die Hälfte der Menschen Mitglied einer Kirche. Der Bedeutungsverlust des christlichen Glaubens in unserer Gesellschaft ist mit Händen zu greifen. Die steinernen Dokumente des christlichen Glaubens prägen unsere Innenstädte und Landschaften und werden das auch weiterhin tun. Doch wird es uns gelingen als Gemeinden, als Kirchen, als Menschen, denen der christliche Glaube nicht egal ist, weiterhin eine Stimme zu haben, auf die in unserer Gesellschaft gehört werden wird? Im Rahmen einer Veranstaltung sagte neulich jemand: „Es ist erschreckend, wie gottlos unsere Gesellschaft geworden ist. Zu vergessen, auf welche Werte sich eine ganze Gesellschaft, ein Staat, ein Kontinent bezieht, ist verstörend und bringt das menschliche und soziale Gefüge durcheinander.“ Worauf beziehe ich mich zurück? Das bedeutet Religion. - Ob Gott, so wie viele von uns es in ihrem Leben kennengelernt haben, für das Leben jedes einzelnen eine Bedeutung hat, ist zunächst einmal nicht die Frage.
Die Frage ist, was hält eine Gesellschaft, was hält Menschen zusammen? Missachtung? Hass? Neid? Verrat? Krieg? Wo sie herrschen, ist das Leben bald zu Ende, Menschen verzweifeln. Vertrauen. Liebe. Humor. Aufmerksamkeit. Großherzigkeit. Entschlusskraft. Zuwendung. Das hält Menschen, eine Gesellschaft zusammen. Nicht nur in Dortmund, sondern überall. Jesus Christus hat uns in seinem Leben gezeigt, wie wichtig es ist auf die Menschen zuzugehen, ihnen Aufmerksamkeit und Zuwendung zu schenken. Da, wo menschliches Leben bröckelt, Armut, Krankheit, Lieblosigkeit, Zerstörung, Neid und Fremdenhass herrschen, zerfällt eine Gemeinschaft, zerstört Gesellschaft sich selbst. Das war damals so und ist heute leider immer noch so. Die Welt scheint nicht klüger zu werden. Aber nur weil unsere Welt so gottlos ist, heißt es noch lange nicht, dass Gott uns loslässt. Gott lässt uns nicht los. Das ist die Botschaft dieses Predigttextes. Gott lässt uns nicht los. Nicht im Leben. Nicht im Sterben. Nicht im Glück. Nicht in Verzweiflung. Er lässt nicht los. Ob wir treu bleiben, ob wir mit unserem Leben, in unseren Taten und Worten der Welt zeigen, dass wir in unseren Herzen Gott noch lange nicht losgeworden sind, liegt an uns. Unsere Gemeinden und Kirchen verändern sich, vieles, was uns lieb und teuer war und ist, werden wir aufgeben und hinter uns lassen müssen. Vielleicht werden wir uns fühlen als Volk Gottes im Exil. Vielleicht warten wir auf Propheten, die dann doch nicht kommen werden. Im besten Fall erinnern wir uns daran, was Gott uns allen als Geschenk mitgegeben hat, als Wegzehrung sozusagen: Barmherzigkeit, Gnade und Liebe, die wir verwandeln in Glaubensenergie für morgen. Diese Energie ist nachhaltig, aber sie ist nicht neutral. Es ist Glaubensenergie, die unser menschliches Miteinander gestalten will durch die Herausforderungen der Zeit hindurch. Gott und Gottes Wort werden sichtbar und hörbar in dieser Welt durch uns. Wer liebt, wird sich melden. So wie Gott sich immer wieder durch die Zeit hindurch bei den Menschen gemeldet hat, wird er sich melden: Gott lässt uns nicht los. Barmherzigkeit, Gnade, Liebe, die Kraft zum Frieden, das schenkt er uns immer und immer wieder. Wir werden Gott nicht los. Wer liebt, meldet sich. Gott lässt uns und seine Welt nicht los.

Und deshalb ist der Friede Gottes höher als unsere menschliche Vernunft. Mögen unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus bewahrt werden. Amen.

 Beate Brauckhoff, Pfarrerin und Dozentin, Pädagogisches Institut der EKvW

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Sammlung der "Predigten / Andachten / Impulse zum Sonntag"

Predigt am Sonntag Okuli 12.3.2023 (PDF)

 Predigt am 17.Sonntag n.Trin 09.10.2022 (PDF)

Predigt am 11.Sonntag n. Trinitatis 28.8.2022 (PDF)

Predigt am Pfingstmontag 6.6. 2022. (PDF)

Predigt am Sonntag Kantate 15.5.2022 (PDF)

 



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